Vor 20 Jahren, im Mai 2000, stieg der 1. FC Köln das erste Mal aus der zweiten Liga wieder in die Bundesliga auf. Nach zwei schwierigen Jahren hatte man es geschafft und war nach dem ersten Abstieg der Vereinsgeschichte im Jahr 1998 wieder Teil der deutschen Beletage. Dirk Lottner war damals ein wichtiger Teil der Aufstiegsmannschaft und war auch viele weitere Jahre beim 1. FC Köln ein absoluter Leistungs- und Sympathieträger. Wir haben uns mit ihm zum Interview getroffen um auf die Aufstiegssaison 1999/2000 zurückzublicken.
Dirk Lottner, vorab die wichtigste Frage: Wie geht es Ihnen und wie kommen Sie durch die Coronazeit?
Es ist ein bisschen geteilt muss man sagen. Einerseits ist es nach dreieinhalb Jahren in Saarbrücken natürlich auch mal schön, wieder eine gewisse Zeit Zuhause und bei der Familie zu sein. Man kann sein eigenes Reich mal wiederbeleben und gerade jetzt in den Sommerwochen war das schon schön.
Sportlich gesehen kam Corona aber auf jeden Fall zur Unzeit für mich. Zu einem Zeitpunkt, an dem ich gehofft hatte, persönlich den nächsten Schritt zu gehen, also ein Trainerengagement vielleicht in der dritten Liga oder in der zweiten Liga anzutreten. Aber da alles so ruhig war, hat sich da natürlich nichts getan.
Dementsprechend ist es einerseits schön, andererseits war ich auch jetzt lange genug Zuhause und hoffe, dass es bald weitergeht. Gesundheitlich ist die Familie aber gut durch die Zeit gekommen.
Sie haben es schon selbst angesprochen: Im Moment sind Sie leider vereinslos. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Ich möchte natürlich so schnell wie möglich wieder eine Mannschaft trainieren. Dass man da jetzt vielleicht auch Abstriche machen muss, im Vergleich zu der Situation im Dezember als ich freigestellt wurde, das ist - denke ich - klar im Moment. Das müssen viele Menschen in der aktuellen Zeit. Abstriche machen und Pläne, die man vor ein paar Monaten noch hatte, etwas weiter nach hinten rausschieben.
Dementsprechend ist es für mich erst mal wichtig, einen neuen Verein zu bekommen und endlich wieder auf dem Trainingsplatz zu stehen. Und dafür muss die Liga erst mal wieder rollen. Die Regionalligen sind ja jetzt wieder gestartet oder starten bald, die anderen Ligen werden folgen und dann hoffe ich, dass sich zeitnah etwas ergeben wird.
Wir haben uns mit Ihnen zum Gespräch verabredet, weil der 1. FC Köln vor 20 Jahren zum ersten Mal wieder aufgestiegen ist. Sie waren damals ein wichtiger Teil der Mannschaft, haben in der Aufstiegssaison 14 Tore geschossen. Denken Sie gerne noch an die Zeit zurück?
Natürlich, das war ein absolut überragendes und geiles Erlebnis. Mit dem Sieg in Hannover, der, wenn es vorher einer hätte schreiben müssen, nicht besser ausgehen hätte können vom Spielverlauf her. Dass wir da noch 5:3 gewonnen haben nach 0:2 und 1:3 Rückstand, das war praktisch die Krönung einer herausragenden Saison, das muss man so sagen. Gerade im heimischen Stadion haben wir einige Mitkonkurrenten richtig weggehauen. Das war schon eine überragende Saison. Mit vielen Kölnern, einer großen Identifikation innerhalb der Mannschaft und dementsprechend auch einem sehr großen Zusammenhalt im Team. Aber auch da wäge ich immer ein bisschen ab, denn der Zusammenhalt wächst mit dem Erfolg und so war das in der Saison auch.
Man darf nicht vergessen, es war das zweite Jahr zweite Liga für den 1. FC Köln. Nach dem Abstieg kam zuerst Bernd Schuster, ich selbst bin in der Saison kurz vor der Winterpause zum Team dazu gekommen und diese Saison war schon sehr ernüchternd. Dann kam der Ewald Lienen, einige neue Spieler und man hat direkt gemerkt, dass auf einmal ein ganz anderer Wind wehte und man sofort auch durch die erfolgreichen ersten Spiele in die Euphorie reingekommen ist.
Für mich persönlich das Schönste, unabhängig vom sportlichen Erfolg, war aber, dass man sehen konnte, wie sich der Zuspruch der Fans im Laufe der Zeit entwickelt hat. Ich bin gebürtiger Kölner und FC-Fan seit eh und je gewesen. Bei meinem ersten Spiel, nachdem ich aus Leverkusen zum FC gewechselt bin, waren 13.000 Zuschauer an einem Montagabend gegen Karlsruhe im Stadion. Als wir dann mit der bescheidenen Vorsaison im Rücken in die neue Saison gestartet sind, da war die Bude auch nicht direkt voll. Es war dann aber schön zu erleben, wie die Euphorie in der Stadt wuchs und wie das Stadion, das alte Müngersdorfer Stadion ja noch, immer voller wurde und wie man dann am Ende auch 40.000 Zuschauer in der zweiten Liga hatte. Das war damals was ganz Besonderes und absolut nicht selbstverständlich.
Also diese Euphorie, die die Mannschaft mehr oder weniger durch ihre Art, ihren Fußball und ihre Erfolge vorgelebt hat, hat sich eins zu eins übertragen auch auf die Fans und das war für mich ein absolut tolles Erlebnis, weil ich natürlich die ganzen Jungs in der Kurve auch noch kannte und es deswegen vielleicht auch noch bewusster wahrgenommen habe.
Rein tabellarisch wurde die Saison damals sehr souverän bestritten. Am 8. Spieltag übernahm der FC das erste Mal die Tabellenspitze und ab dem elften Spieltag war man durchgehend Erster. Es gab aber auch Schwächephasen, gerade in der Rückrunde. Was war aber dann der Unterschied zu der Saison davor, als man den direkten Wiederaufstieg doch recht deutlich verpasst hatte?
Ich denke, dass da einige Komponenten zusammengekommen sind. Zum einen natürlich die mannschaftliche Geschlossenheit, das muss man ganz klar sagen. Wenn ich das vergleiche mit der Vorsaison, als ich dazugekommen bin, da sind wir im Winter ins Trainingslager nach Chile geflogen und haben dort ein kleines Turnier gespielt. Das erste, was wir dort gemacht haben, war zu versuchen, mit einem Psychologen in Kleingruppen einen gewissen Teamgeist in die Mannschaft zu bekommen und die kleinen Eitelkeiten die jeder so hatte, die Zerstrittenheit, die in der Mannschaft war, irgendwie raus zu bekommen. Sowas hatten wir in der Aufstiegssaison aber gar nicht und das war natürlich ein sehr großer Punkt.
Das zweite war die spielerische Qualität, die wir dann in der Mannschaft hatten. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt unglaublich viele junge und talentierte Spieler in der Mannschaft sowie Spieler, die in einem guten Alter waren, den Zenit aber noch nicht übreschritten hatten und sich immer noch entwickeln konnten.
Und der dritte Punkt war sicher Ewald Lienen, der sobald auch nur ein kleines bisschen Überheblichkeit aufkam oder jemand meinte, man könnte es mal ein bisschen lockerer angehen lassen, dazwischengehauen und dafür gesorgt hat, dass wir wieder in die Spur kamen.
Das Aufstiegsspiel in Hannover startete nicht wirklich gut. Sie konnten zwar kurz vor der Pause auf 2:1 verkürzen, doch nach knapp 60 Minuten lag der FC 3:1 zurück. Was passierte dann in der Mannschaft, dass das Spiel doch noch so fulminant gedreht werden konnte?
Ich denke, auch dieses Spiel war wieder symptomatisch dafür, was ich eben auch schon angesprochen habe, was die Stärken der Mannschaft waren. Dieser Zusammenhalt und der Siegeswille, letztendlich in diesem Spiel aufsteigen zu können und auch zu wollen. Der Glaube an sich, dass man weiß, man ist stark genug, solche Spiele zu drehen.
Das war ja jetzt auch kein Spiel, in dem Hannover uns an die Wand gespielt hat. Wir haben einfach etwas fahrig agiert und dann zweimal blöde Gegentore gefangen. Aber die Tatsache, dass wir dann zweimal einen zwei Tore Rückstand aufgeholt haben, also der Glaube an die eigenen Stärken, der war schon extrem groß und dann natürlich gepaart mit der nötigen Qualität. Wie der Alex (Alexander Voigt Anm. Red.) dann z. B. das 4:3 gemacht hat. Ich glaube, der hat in der ganzen Saison zwei Tore geschossen und haut dann so ein Ding raus. Das passt dann alles an so einem Tag zusammen und von daher war das ein Riesenerlebnis für uns alle.
Trainer damals war Ewald Lienen. Von den FC-Fans wird er seit dem Aufstieg immer wieder gefeiert, hat damals sogar seine eigene Hymne erhalten. Welchen Anteil hatte er an dem Aufstieg und wie war ihr Verhältnis zu ihm bzw. wie war die Zusammenarbeit generell mit ihm?
Es ist ja kein Geheimnis, dass wir öfter mal aneinandergeraten sind und, dass seine Einstellung zum Profileben eine andere war als meine, aber auch von einigen anderen innerhalb der Mannschaft. Ich habe mit Ewald heute ein super Verhältnis, wir haben zuletzt noch einen Podcast zusammen gemacht und wir wussten auch damals schon, was wir aneinander haben, aber auch, was wir nicht voneinander brauchen.
Ewald war der Kopf, Ewald hat alles vorgelebt. Das fing schon damit an, wie er auf die Fans zugegangen ist nach der Katastrophensaison zuvor. Er war offen, nicht an den Leuten vorbei, hat wieder eine Identifikation hergestellt. Aber auch was uns angeht. Sich gesund zu ernähren, alles dem sportlichen Erfolg unterzuordnen. Das hat er eingeimpft bekommen und das hat er vorgelebt. Manchmal vielleicht auch etwas zu krass, darüber haben wir uns später auch noch einmal unterhalten, aber grundsätzlich war sein Weg der absolut Richtige. Dass er den größten Anteil an dem Aufstieg hatte, nach der Vorsaison, die ja absolut beschissen gelaufen ist, das kann man ganz neidlos anerkennen.
Das war auf jeden Fall ein großartiges Jahr mit dem Ewald und seinem blauen Hemd. Wie er auch von den Fans gefeiert wurde, das genießt man natürlich als Trainer. Ich glaube, gerade als Trainer hast Du nicht oft die Situation, dass du so gefeiert wirst von den Fans. Daher ist es absolut legitim, dass man diese Situation auch mal genießt und auch auslebt.
Wie war es dann, als Sie nach dem Spiel zurück nach Köln kamen? Vermutlich war die Nacht mit der Rückkehr zum Geißbockheim noch nicht vorbei?
Ja, das war absolut toll. Grundsätzlich fing die Party schon auf dem Rasen an, ging dann in der Kabine weiter und auch im Bus. Als wir dann am Geißbockheim angekommen waren, gab es einen tollen Empfang von den Fans, den man nie vergessen wird. Wir sind dann erst mal oben ins Geißbockheim gegangen zum Eugen Glöckner, haben da noch Party gemacht öffentlich mit den Fans zusammen und sind dann intern noch weitergezogen auf die Ringe und haben den Rest der Nacht noch ausgelebt.
Sie haben die Fans und die Entwicklung im Laufe der damaligen Saison schon angesprochen. Gerade in Coronazeiten merkt man, welche Bedeutung die Fußballfans für die Mannschaft haben können. Welchen Faktor hatten die Fans beim Aufstieg 2000?
Das ist in der Saison zusammen mit der Euphorie gewachsen. Wir waren viele Kölner in der Mannschaft, das heißt die Identifikation war eh schon einmal eine andere als in den Jahren zuvor. Jeder Einzelne, der in Köln oder in der Umgebung geboren wurde, hat ja für sich genommen schon eine gewisse Fanbasis mitgebracht und dementsprechend hat man das auch gelebt.
Das war eine extrem wichtige Unterstützung für uns und genau deswegen war es ja so geil mit anzusehen, wie das Stadion immer voller wurde und der Zusammenhalt immer weiter gewachsen ist, selbst in der Phase als es in der Rückrunde mal kurzzeitig etwas holprig lief.
Zum Abschluss ein kurzer Blick in die Gegenwart. Die aktuelle Mannschaft des 1. FC Köln ist in der Vorbereitung auf die neue Saison. Was glauben Sie, wie wird die Saison für den FC verlaufen?
Ich kann das, wenn ich ehrlich bin, noch gar nicht so richtig einschätzen. Da gibt es aktuell zu viele Baustellen, sowohl was Kadergröße als auch Kaderqualität angeht. Wer kommt jetzt noch? Klappt das mit den Spielern, die auf der Liste stehen oder zieht man doch den Kürzeren am Ende des Tages?
Das sind schon wichtige Komponenten, die da eine Rolle spielen werden. Von daher kann ich es nicht wirklich einschätzen, aber Stand heute würde ich sagen: Es wird eine schwierige Saison für den FC.
Dirk Lottner, vielen Dank für Ihre Zeit und die vielen interessanten Einblicke!