Andreas Kossiski ist FC-Mitglied, SPD-Politiker und Oberbürgermeisterkandidat der KölnSPD. Unser Chefredakteur von kölschlive, Werner Mason, traf ihn zum Interview.
Was fasziniert dich am FC? Was macht die halbe Stunde vor Spielanpfiff mit dir?
Ich lebe seit 20 Jahren in Köln. Seitdem bin ich FC-Fan und wurde später auch FC-Mitglied. Der FC und seine Fangruppierungen sind echt und authentisch - man leidet und feiert zusammen. Der FC ist für mich ein wahnsinnig wichtiges emotionales Element in dieser Stadt. Die halbe Stunde vor Spielanpfiff macht mir regelmäßig absolute Gänsehaut! Also das ist ja schon fast das Wichtigste am Stadionbesuch (lacht). Die Stimmung steigert sich bis zur Choreografie der Hymne und alle singen mit. Man merkt den Fans an, dass das nicht aufgesetzt ist, sondern, dass es Teil ihres Wunsches ist, die Mannschaft nach vorne zu treiben. Für jede andere Mannschaft, die das Stadion betritt, ist das eine ganz besondere Situation. Die erste halbe Stunde ist für mich also ein absolut positives Gemeinschaftsgefühl, das ich nicht missen möchte.
Wie siehst du das Image des 1. FC Kölns?
Zum Image des FC gehört für mich ganz klar das soziale Engagement des Vereins und das der Fans. Da ist nichts aufgesetzt, das kommt von den Fans selbst. Das sieht man auch an bestimmten Bannern im Stadion, die auf eine gute Art und Weise, gesellschaftliche Ereignisse und Diskussionen aufnehmen - als Kundgebung im Stadion sozusagen. Ein Grund, weshalb es mich sehr freut, dass ich dem Verein angehören darf.
Nachdem die politische Entscheidung zum Ausbau des Geißbockheims gefallen ist, es allerdings auch Gegenstimmen gab und gibt, wie ist Deine Position in dieser auch sehr emotional geführten Debatte?
Ich bleibe bei meiner Position: Pro Ausbau Geißbockheim!
Hast du schon mal persönliche Erfahrung mit Fan-Gruppierungen gemacht?
Ich selbst habe vor Jahren als DGB-Chef ein soziales Projekt in Rio mit Jugendlichen aus Chorweiler und einem Vertreter der Ultras umgesetzt. Es handelte sich um ein Fußballprojekt in einer Favela. Wir haben viel voneinander gelernt. Eine wichtige Zeit. Das hat mir geholfen, Einblicke in die Fan-Strukturen zu bekommen.
Wie siehst du den allgemeinen Stellenwert des Sports in Köln?
Der Sport wird unter Wert verkauft. Wir haben neben dem FC andere große Vereine und natürlich in der Breite auch viel kleine Vereine, die diese Stadt prägen, die den Zusammenhalt fördern. Sport ist der Kit der Gesellschaft! Den Stellenwert kann man gar nicht hoch genug hängen. Wir haben Institutionen um die uns viele beneiden: Der Stadtsportbund ist auf dem Weg die klassische Rolle des Vermittlers wahrzunehmen. Darüber hinaus haben wir die Sporthochschule oder die Sportstiftung NRW. Uns fehlt aber zum Beispiel eine Halle mit einer 4.000 – 5.000 Zuschauerkapazität, um Sportarten wie Volley- oder Basketball auf die nächste Ebene zu heben. Wir müssen also noch viel mehr investieren und das Engagement erhöhen – mit klaren Konzepten und Verantwortlichkeiten. Das ist Aufgabe von Politik!
Gibt es aus deiner Sicht Optimierungsbedarf, was den Breitensport angeht?
Es gibt erheblichen Optimierungsbedarf. Ich bin zum Beispiel im Landtag der einzige Kölner Abgeordnete, der im Sportausschuss ist. Ich bin stellvertretender Vorsitzender im Stadtsportbund und ich habe bis vor kurzem auch noch die Sportstadt Köln e.V. geleitet. Aus meiner Sicht wollen wir Sportstadt sein – doch dazu fehlen die Mittel und bis jetzt hat das Engagement bei vielen Leuten gefehlt. Wir müssen die Stadt, die Wirtschaft, Sponsoren und Großsponsoren, die Institutionen, das Sportamt, als städtischen Träger, den Stadtsportbund und die Vereine in die Lage versetzen gemeinsam diese Sportstadt zu entwickeln. Doch dazu braucht es strukturelle Veränderungen und so etwas wie einen Sportbeauftragten, der im Rathaus direkten Kontakt zum Oberbürgermeister hat. Ich empfehle an dieser Stelle gerne meinen Podcast mit Ulrike Meyfarth, der sich mit diesem Thema in aller Tiefe auseinandersetz (Anmerkung der Redaktion: hier geht es zum Podcast mit Ulrike Meyfarth). Wir müssen anhand der sportlichen Identifikationsfiguren unserer Stadt Strahlkraft über Köln hinaus aufbauen! Also wenn ich Oberbürgermeister unserer Stadt werde, dann wird Sport zur Chefsache erklärt!
Welche Rolle spielt für dich der Kinder- und Jugendsport?
Sport ist ein wichtiger Faktor zur Bildung von sozialer Kompetenz. Je früher Kinder und Jugendliche Teamgeist lernen, Rücksicht aufeinander nehmen, sich mit Regeln auseinandersetzen um sich für eine Sache gemeinsam einzusetzen, stärkt dies das Bewusstsein und den Charakter. Das sollte allen Kindern und Jugendlichen ermöglicht werden – unabhängig vom Einkommen, sozialer Herkunft oder vom kulturellen Hintergrund.
Wie siehst du die Fan-Struktur des FC?
Die Fan-Gemeinde ist für den FC, die Mannschaft und das Spiel - und für das Gefühl in der Stadt sehr wichtig. Was ich gut finde, dass es im Gegensatz zu anderen Fußballclubs keine ausgesprochenen Rechtstendenz gibt. Wir haben sehr demokratische, sehr freiheitsliebende multikulturelle Gruppen – so auch einen schwul-lesbischen-Fanclub. Es gibt Menschen, die ihr gesamtes Leben auf den FC ausrichten. Und auch sehr impulsiv reagieren, wenn irgendetwas nicht läuft. Das was jetzt durch den Mitgliederrat entstanden ist und auch durch die Beteiligung der Mitglieder, ist ein richtiger Weg. Welche Rolle und wie der Mitgliederrat seine Rolle spielt hängt natürlich davon ab, wie verantwortungsvoll die Menschen damit umgehen.
Du sprachst davon, dass der Sport auch Identifikationsfiguren benötigt. Wie siehst du in diesem Zusammenhang einen ehemaligen Spieler wie Lukas Podolski?
Lukas Podolski hat viel Geld über den Sport verdient und er gibt ihn an den Sport zurück. Das finde ich sehr vorbildlich. Lukas Engagement in Köln sowie im Umland, zum Beispiel in Bergheim, wo er in Jugendarbeit und Infrastruktur investiert, kann man nicht hoch genug hängen. Kürzlich hat er für vier Millionen Euro in Mülheim auf dem ehemaligen Carlswerk-Gelände eine gigantische Soccerhalle auf einem 5.0000 Quadratmeter großen Areal gebaut. Mit ‚Straßenkicker Base‘ möchte er die Straßenfußballer unterstützen und fördern – das finde ich vorbildlich. Und natürlich sind solche Vorbilder wie Lukas, mit seiner offen gezeigten Liebe zu Köln, mit seiner Leichtigkeit, seiner positiven Ausstrahlung und seinem Engagement, wichtig für junge Menschen, damit sie sich orientieren können.
Wie siehst du Michael Trippels Rolle beim FC?
Aus meiner Position als Landtagsabgeordneter habe ich sämtliche Leute aus dem alten und neuen Vorstand kennengelernt – und der Verein identifiziert sich über Menschen. Michaels Engagement über all die Jahre für den FC ist schon sehr bewundernswert! Er ist ja nicht nur als Stadionsprecher unterwegs. Er ist im Mitgliederrat, er ist in verschiedenen anderen Funktionen. Als Mensch ist der mit dem FC sehr eng verbunden und ein wichtiger Mann für den Verein (Anmerkung der Redaktion: hier geht es zum Podcast mit Michael Trippel).
Wie hast du die letzte Saison rückblickend erlebt?
Als Achterbahnfahrt – wie so häufig beim FC, kann man sagen. Ich leide und freue mich mit dem FC – und das letzte Jahr war mal wieder eines der Jahre, wo man sagt, das kann ja alles nicht wahr sein. An das letzte Spiel in Bremen möchte ich am liebsten gar nicht mehr denken. Das hat dem FC und den Spielern, so glaube ich, viel Negatives gebracht. Da leidet man als Fan massiv. Ich bin aber seit den letzten 20 Jahren einiges gewohnt.
Was erwartest du von der neuen Saison?
Nach so einem Ende, wie das der letzten Saison, kann es ja nur nach vorne gehen. Nach so einer Saison muss man in sich gehen und überlegen, was passiert eigentlich hier – und wie kommen wir in der Zukunft damit zurecht. Ich möchte nicht den sechsten Abstieg während meiner Zeit in Köln erleben. Der FC gehört für mich in die 1. Liga. Man muss realisieren, dass der FC nach Corona mit den Geisterspielen nicht klargekommen ist. In Köln ist die Unterstützung der Fans und die besondere Stimmung im Stadion auch scheinbar für die Mannschaft unwahrscheinlich wichtig. Wie man die Mannschaft mental auf diese Situation einstellt, ist Sache der Verantwortlichen. Die Mannschaft muss sich zusammenreißen, das Potenzial ist da. Trainerstab und Manger wissen, was sie zu tun haben. Ich möchte jetzt nicht einen von 30.000 Trainern spielen – ich erwarte und hoffe aber, dass jeder an seinem Platz professionell für unseren 1. FC Köln handeln wird.
Die politische Diskussion läuft, ob Zuschauer wieder in die Stadien dürfen. Was sagst du dazu?
Das ist ein heikles Thema. Ich bin aber für jede Art von Öffnung, wenn sie vernünftig durchdacht ist. Das gilt aber auch für alle gesellschaftlichen Bereiche. Es muss gewährleistet sein, dass wir durch solch eine Maßnahme nicht in eine zweite Welle geraten. Anreise, Abreise, Aufteilung im Stadion – all das muss bedacht werden. Ich stelle es mir schwierig bis unmöglich vor, dass sich die Fans nicht vor Begeisterung in die Arme fallen und jubeln, wenn der FC ein Tor schießt oder gewinnt. Die klare Meinung der Ultras: Alle oder keiner. Bei einem Teileinlass wollen die Ultras die Spiele boykottieren und auch dies zeigt wie schwierig eine Abwägung ist. Die Fragen, sollten tatsächlich nur Dauerkartenbesitzer ins Stadion, was ist mit den FC-Mitgliedern, mit all den anderen Fans? Sollen wir etwa auslosen? Egal, wie man entscheidet, es darf keine Irritationen zwischen den Fangruppen, Mitgliedern, Dauerkarteninhabern oder anderen Stadionbesuchern geben.
Vielen Dank für das Interview!