Teil zwei unserer Interviewreihe. Diesmal sprechen wir mit Karina Katt. Sie ist 33 Jahre alt und arbeitet als examinierte Altenpflegerin. In ihrer Freizeit ist sie FC-Fan mit Fleisch und Blut und verfolgt natürlich jedes Spiel. Zudem engagiert sie sich ehrenamtlich für fans1991 und betreut u.a. Auswärtsfahrten. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie sich die aktuelle Situation für sie und ihren Beruf auswirkt.
Wo bzw. als was arbeitest Du?
Ich bin examinierte Altenpflegerin und habe eine Weiterbildung zur Palliativfachkraft gemacht. Ich arbeite bei einem ambulanten Altenpflegedienst, der sich im November 2019 gegründet hat. Insgesamt bin ich seit 18 Jahren in der Pflege.
Was macht Dir an Deinem Beruf Spaß?
An vorderster Stelle steht natürlich, dass ich den Menschen helfen kann. Der Beruf ist zwar hart und manchmal auch stressig, aber ich erhalte so viel Liebe und Dankbarkeit von diesen Menschen, das macht das absolut wett. Ich hatte nie Oma und Opa, jetzt habe ich ganz viele davon. Es ist ein sehr vielseitiger Beruf, man wechselt nicht nur Windeln oder gibt Spritzen, man unterhält sich mit den Leuten und ist für diese ein wichtiger Ansprechpartner, Seelsorger, Organisator… einfach ein Mädchen für alles. Zudem hat man etliche Möglichkeiten der Weiterbildung und Entwicklung. Des Weiteren liegt mir die Hospizarbeit sehr am Herzen, da viele ältere Menschen alleine sind und sich schwertun, sich mit dem Thema Tod und Sterben zu befassen, hier kann ich eine Hilfe sein.
Wie kriegst Du die FC-Spiele und Deinen zeitintensiven Job unter einen Hut?
Hier habe ich sehr viel Glück mit meinem Arbeitgeber. Mein Dienstplan richtet sich nach den FC-Spielen. Bei Auswärtsspielen habe ich frei, bei Heimspielen habe ich Frühdienst. Wir haben glücklicherweise einen Dienstplan nach Wunsch und das wird meist auch so umgesetzt.
Wie gestaltet sich die aktuelle Situation für Dich beruflich?
Einerseits merken wir, dass wir viele Neukunden haben und entsprechend auch mehr Arbeit. Andererseits merkt man die gestiegene Angst der Menschen. Einige möchten nicht mehr angefahren werden, sowohl in der Hauswirtschaft als auch in der Pflege. Klar, wir ,,wandern“ von Haus zu Haus und haben mit vielen Personen Kontakt, dass die Leute da Angst bekommen, ist nachvollziehbar. Was die Hygiene angeht hat sich eigentlich nicht viel verändert. Wir hatten schon vorher Desinfektionsmittel und Handschuhe bei jedem Besuch separat vor Ort. Das Einzige, was sich jetzt verändert hat, ist der Mundschutz. Hier besteht natürlich das bekannte Problem, dass wir diese momentan nicht dauerhaft auf Lager haben. Also haben wir uns selbst geholfen und welche genäht. Die Leute die wir besuchen legen da auch wert drauf. Die Angst wird dadurch jedoch auch verstärkt, da man quasi keine Mimik mehr besitzt. Zudem haben wir einige demenzkranke Patienten, die einen dadurch nicht mehr erkennen.
Wie nimmst Du das Thema „Anerkennung“ deines Berufes wahr? Wie war es vor der Corona-Krise und wie ist es aktuell?
Vor der Krise habe ich kaum Anerkennung erfahren, außer von Leuten, die selbst betroffen sind. Zum einen die besuchten Personen selbst, aber auch die Angehörigen. Aktuell merke ich schon, dass die Berufe im medizinischen Bereich mehr Anerkennung erhalten, aber das Klatschen z.B. hat für mich keine große Bedeutung.
Gab es besonders schlimme oder aber auch besonders schöne Momente in der letzten Zeit?
In meinem direkten Umfeld gab es keinen besonders schlimmen Moment. Was mich momentan bedrückt, ist, dass die Leute alleine zuhause oder auch im Krankenhaus oder Pflegeheim sterben müssen. Ihnen kann nicht die letzte Ehre erwiesen werden und die Angehörigen können sich nicht verabschieden. Ich finde, man sollte an dieser Stelle abwägen und eine Regelung finden. Eine meiner liebsten Damen möchte zudem zurzeit nicht angefahren werden, sowas macht mich dann auch traurig.
Auf der anderen Seite ist es schön, die Menschen zu besuchen und ihnen ein Lächeln in dieser schweren Zeit ins Gesicht zu zaubern. Man nimmt sich aktuell auch mal etwas mehr Zeit und quatscht mit ihnen über die Sorgen und Probleme, die sie klagen, aber natürlich auch über die schönen Dinge. An den Osterfeiertagen hat man nochmal besondere Anerkennung erhalten, z.B. durch einen kleinen Schokoosterhasen.
Welche Geste wünschst Du Dir von der Bevölkerung/von der Politik? Wie kann man Dich aktuell am besten unterstützen?
Ich wünsche mir, dass die Menschen sich bewusstmachen, was Pflege bedeutet. Wir sind nicht nur die Windelwechsler, sondern teilweise auch der einzige soziale Kontakt für diese Menschen. Manch einer würden vereinsamen ohne uns und ist traurig und hilflos.
Man kann uns im ambulanten Pflegedienst helfen, indem man Desinfektionsmittel, Mundschutz und Handschuhe spendet. Wir haben es wirklich dringend nötig und werden in dieser Hinsicht gegenüber Krankenhäusern benachteiligt und müssen sehr sparsam sein.
Mir persönlich ist es sehr wichtig, dass die Menschen sich gegenseitig helfen und unterstützen! Viele gehen mit gutem Beispiel voran. Geht z.B. für die Risikogruppen einkaufen oder mit den Hunden spazieren. Es gibt immer etwas, wo man helfen kann!
Was wünschst Du Dir als Maßnahmen für Dein Berufsfeld nach der Krise?
Ich wünsche mir, dass der Beruf und das Berufsbild stärker akzeptiert und anerkannt wird, egal mit welcher Spezialisierung. Die Ausbildung muss attraktiver gestaltet und beworben werden und vom Staat gefördert werden. Ich hoffe, dass durch die Krise, vor allem jüngere Leute, auf den Beruf des Pflegers aufmerksam werden und eine Ausbildung in der Branche anstreben. Ein ausgelernter Altenpfleger erhält im Durchschnitt 2.500€ brutto und viele arbeiten für den Mindestlohn, dieses Problem ist bekannt und benötigt eine Überarbeitung. Die meisten Kollegen arbeiten zwölf Tage durch, teils in Doppelschichten und haben dann zwei Tage frei. Um diese Belastung zu verringern und das System zu ändern, benötigen wir natürlich auch entsprechenden Nachwuchs.
Allgemein ist es meiner Meinung nach wünschenswert, wenn mehr auf alleinerziehende Eltern Rücksicht genommen wird, z.B. durch Schichtanpassung bzw. flexiblere Arbeitszeiten.
Vielen Dank für das Interview und Deinen Einsatz!