Unser Autor Philipp Tekampe sah 2017 das Auswärtsspiel bei Bayer Leverkusen hinter „feindlichen“ Linien, hinter Glas und über seinen Verhältnissen. In unserer kölschlive-Ausgabe von Juni 2017 stellte er fest: Diese Art ein Fußballspiel zu verfolgen ist nichts für ihn.
Raus aus der Bahn, noch ein Bier für den Weg und dann Fußmarsch ins Stadion. Vor dem Eingang die leere Flasche entsorgen und rein ins Stadion. Bisher alles wie immer. Doch nun wird alles anders.
Statt Gedrängel und Drehtoren am Eingang öffnet sich vor mir eine elegante Glastür. Die Security trägt Anzug und attraktive Hostessen heißen uns willkommen. Was vermutlich daran liegt, dass ich das Spiel nicht auf der Südtribüne in Müngersdorf, sondern in einer Loge in der putzigen Pillenarena im nördlichen Vorort sehen werde. Genauer gesagt in der Loge der Bayer AG.
Deswegen trage ich heute auch Trikot. Mache ich in Müngersdorf fast nie, aber hier ist es wichtig. Kein Warten, kein Gedrängel. Ehe ich es mich versehe, wurde schon meine Karte gescannt, ich wurde sehr dezent abgetastet und befinde mich schon im Aufzug auf dem Weg in die Loge. Im Vorraum vor der Loge sieht es aus wie bei einem gehobenen Hotelbuffet. Natürlich warten dort noch mehr Hostessen. Eine davon kommt mit dem roten Mottoshirt der Pillen auf mich zu und will mir offensichtlich eins schenken. Zur Sicherheit fragt sie aber vorher nach.
„Bayer-Fan?“
Ich zeige auf mein Trikot und lehne dankend ab. Sie scheint nicht überrascht. Von den wenigen anwesenden Gästen trägt keiner das rote Shirt. Eine andere Hostess nähert sich, um mir den Weg in die Loge zu zeigen. Besser gesagt: Sie bringt mich hin. Die Tür zur Loge ist weniger als zehn Meter entfernt, aber sie zeigt nicht darauf. Nein, sie begleitet mich dorthin. Ehrlich gesagt bin ich mit so viel Service etwas überfordert.
Die Loge befindet sich genau hinter dem Tor und bietet perfekte Sicht. Allerdings durch eine Glasscheibe. Und zwar nur durch eine Glasscheibe. Es gibt keinerlei Möglichkeit nach draußen zu gehen und wirkliches Stadionfeeling zu bekommen. Wer zur Hölle denkt sich sowas aus? Leverkusener offensichtlich, bei denen spielt die Stimmung ja eh keine so große Rolle.
Auch ansonsten sieht die Loge eher aus wie ein Konferenzraum. Aber natürlich alles in Topqualität und die Sitze sind erstaunlich bequem. Kaum habe ich mich niedergelassen kommt eine Kellnerin und ich bestelle ein Kölsch. Sekunden später ist es da. Ich habe es noch nicht ausgetrunken, da klopft mir ein mir unbekannter Mann auf die Schulter. Er trägt ebenfalls ein FC-Trikot und sagt:
„Immerhin nicht alleine“
Nein, alleine ist er nicht. Im Verlauf des Spiels stelle ich fest, dass es in unserer Loge sechs FC-Fans gibt. Hingegen nur vier Leverkusener. Der Rest interessiert sich mehr für Essen und Trinken. Apropos. Kaum ist das Kölsch leer, steht ein neues vor mir. Service so gut wie in einem kölschen Brauhaus. Nur netter. Ein paar Kölsch später (natürlich mit Alkohol. Man ist ja nicht der Pöbel!) merke ich, dass ich vielleicht etwas essen sollte.
Auf geht’s zum Buffet. Im ersten Gang esse ich: Antipasti, Lachs und Meeresfrüchte. In einem Fußballstadion.
Lachs, Meeresfrüchte!
Das passt so gar nicht, ist aber trotzdem lecker. Und genauso geht es weiter. Ich lasse mir vom zartrosa gegarten Kalbsbraten abschneiden, gönne mir ein wenig Spargel und stelle mir eine kleine Käseauswahl zusammen.
In einem Fußballstadion!
Sehr lecker, aber genauso unpassend wie die Glasscheibe vor meinem Sitzplatz. Eine Stadionwurst schmeckt nach Fußball. Hier schmeckte es nach entspanntem Cluburlaub. Und dementsprechend war auch die Stimmung. Rund um mich wurde das Essen genossen, mit Wein angestoßen…
Ach und da war draußen vor der Scheibe ja auch noch ein Spiel. Über das ich hier nicht berichten werde. Schließlich hatte es weder in der Loge noch in diesem Artikel höchste Priorität. Es geht hier um das befremdliche Gefühl, dass in knapp zwanzig Meter entfernt Rauchtöpfe oder Pyro gezündet werden und man nichts riecht. Oder wenn einem abwechselnd von rechts und links
„Come on FC!“
entgegenschallt und es überhaupt keinen Sinn macht, sich daran zu beteiligen. Weil man sich erstens in der Mitte und zweitens hinter einer Glasscheibe befindet. All das ist seltsam und hat nichts mit meiner Art, Fußball zu schauen zu tun. Aber die Sicht war wirklich fantastisch. Als Lukas Klünter zu diesem famosen Sololauf ansetzte und diesen mit einem Tor abschloss brauchte ich die Wiederholung nicht, die auf dem Flatscreen links vor mir gezeigt wurde.
Dort und auf den anderen Monitoren in der Loge wurden übrigens auch sämtliche andere Tore dieses Spieltages gezeigt. Wenn man alleine die neun Tore im Spiel der Bayern gegen die Brause im Sinn hat, wird wieder einmal deutlich, dass es in einer solchen Loge verdammt schwer ist, sich auf das Spiel vor der Scheibe zu konzentrieren.
Aber wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen. Oder doch? Und eben, weil ich in einer solchen Loge saß, fand meine Szene des Spiels auch nicht draußen, sondern in dem Mikrokosmos der Loge statt. Die Anzeigetafel zeigte ungefähr die 37. Minute an. Vor mir steht ein leeres Kölschglas. Das fällt mir aber erst auf, als die Kellnerin mich anspricht und folgenden Satz sagt. „Bitte entschuldigen Sie. Ich habe gesehen, dass Ihr Kölsch leer ist. Sobald das neue Fass angeschlossen ist, bringe ich ihnen natürlich sofort ein Neues.“ Und das tat sie auch kurze Zeit später.
Seien wir ehrlich. Ich brauche keine Meeresfrüchte und Kalbsbraten im Stadion, brauche keinen Flatscreen und ich möchte beim Fußball schauen nicht hinter einer Glasscheibe sitzen. Loge ist nicht wirklich was für mich. Aber an den Kölsch-Service könnte ich mich gewöhnen. Wenn ich den auf der Südtribüne hätte, wäre für mich der Stadionbesuch perfekt.