Dieser Moment als Bittencourt den Ball abfängt, zu Cordoba passt und dieser aus 35 Metern abzieht…
…Sekunden vergehen wie Minuten, der Ball schwebt über Torhüter Ospina hinweg, senkt sich – Tor.
Wir, das heißt mein Kumpel Peter aus Köln, sein Kumpel Nic, der die Karten besorgt hatte und eigentlich ManU-Fan ist und ich, liegen uns in den Armen. Dutzende FC-Anhänger um uns herum klatschen mit uns ab, schreien ihre Freude wie wir in den Londoner Nachthimmel. Wir hüpfen wie mit nackten Füßen auf heiße Herdplatten tretend über die Ränge. Das kann uns keiner mehr nehmen. Und dieser Gedanke: Können wir hier heute gegen Arsenal was holen? Euphorie, Adrenalin! 0:1 in die Pause – Sensation!
Das Emirates Stadion ist fest in Kölner Hand. Wir spielen wieder im Europapokal!
Am Ende steht es 3:1, der FC hat verloren wie viel zu oft in dieser Saison schon. Doch es fühlt sich anders an.
Eigentlich haben wir gewonnen!
Denn wir haben ein gutes Stück kölsche Fankultur ins Mutterland des Fußballs gebracht. Und verdammt, die Engländer haben es nötig. Was die Arsenal-Anhänger da abgeliefert haben, war maximal Bezirksliga - und selbst da gibt es in Deutschland Vereine mit einer energischeren Anhängerschaft. Keine Choreos, keine Sprechchöre, keine Einpeitscher. Lediglich Jubel über gelungene Aktionen und selbstverständlich die Tore, gefolgt von einem kurzen „Who are you?, Who are you?, Who are you?“.
Beim Spiel Tottenham gegen Swansea zwei Tage später, wir hatten uns kurzfristig zwei Karten besorgt, bot sich uns das gleiche Bild. Gelungene Pässe oder Schüsse fanden Beifall. Aber wirkliche Fangesänge? Fehlanzeige! Zugegeben bei einem 0:0 gab es wenig Grund für Euphorie. Auch Nic, der eingefleischte ManU-Fan, war begeistert von der Kölner Stimmungslawine, die über London hinweggerollt war. Einem Freund erzählte er am nächsten Tag, dass die Fans beim Vorlesen der Mannschaftsaufstellung jeden Namen energisch mitbrüllen würden. Für deutsche Fans vollkommen normal, für die Engländer offensichtlich bemerkenswert.
Schon die Stunden vor dem Spiel entschädigten für so manches Leid, dass uns der großartige FC in der Vergangenheit angetan hat. Wir fuhren mit der Metro bis Arsenal, gingen noch in einen türkischen Imbiss, wo wir den schlechtesten Döner unseres Lebens aßen und von da aus in einen Pub.
An der Holloway Road, der Hauptstraße in unmittelbarer Stadionnähe, gab es zahlreiche Kneipen, und alle waren in fester Kölner Hand. Wir entschieden uns für eine, wo es Bier gab – das war uns einfach wichtig. Nic und Peter gingen hinein, ich schrieb draußen noch schnell meinem Bruder, der ebenfalls in London war. Der erste FC-Fan mit dem ich vor dem Pub ins Gespräch kam, war nicht aus Porz, Nippes oder Ehrenfeld sondern Stuttgart. Er sei schon immer FC-Fan gewesen und ihm und seinen Jungs sei klar gewesen, wenn das mit Europa klappt, sind sie dabei. Guter Mann.
Als ich schließlich in den Pub kam, dröhnte aus den Boxen gerade VIVA COLONIA und um uns herum kannte man den Text. „Heimspiel in London, wir singen Heimspiel in London“.
Der rotweiße Stimmungsorkan wirbelte nicht nur durch die englische Hauptstadt, sondern quer durch Europa - von Köln bis nach London. Wir waren mit dem Zug angereist, viele kamen mit dem Flugzeug, andere mit dem Auto. Und überall war diese unfassbare Freude und Euphorie zu spüren: auf der Fähre, von wo mein Bruder mir ein Video schickte, im Wartebereich im Brüsseler Bahnhof, wo wir umsteigen mussten, im Check-In-Bereich des Flughafens, wo mein Kollege auf seinen Flug wartete. Wunschergebnis, beste Elf, Taktik? Egal! Einfach hinfahren und den FC im Europapokal spielen sehen.
Nach 25 Jahren. Nach zähen Zweitligajahren. Nach Bigalke. Nach Chihi, Laslandes und Reich. Endlich wieder Europapokal.
Danke für dieses Erlebnis. Das hat Kraft gegeben, um auch diese Saison durchzustehen. Und jetzt volle Konzentration auf die Bundesliga!