News vom 30.03.2020

INTERVIEW MIT THOMAS KESSLER

Er ist eine wahre Institution beim 1. FC Köln. Mit kurzer Unterbrechung seit 2000 im Verein, im letzten August saß er das 300. Mal für die 1. Mannschaft auf der Ersatzbank. Thomas Kessler hat schon so ziemlich alles beim FC mitgemacht. Wir haben ihn vor der aktuellen Saison zum Interview getroffen.

Thomas, seit 2000 bist Du beim 1. FC Köln, seit 2007 mit einer zweijährigen Unterbrechung (St. Pauli und Frankfurt) Profi-Spieler des FC. Dabei hast Du Höhen und Tiefen erlebt. Wie hast Du diese Zeit erlebt?

Es gab viele Aufs und Abs in all den Jahren – eigentlich habe ich alles miterlebt, was man sich vorstellen kann. Gefühlt könnte ich über diese Zeit ein Buch schreiben. Mit jedem Trainer und vielen Spielern verbindest Du bestimmte Momente und verschiedenste Anekdoten. Dazu kommen unsere Fans. Egal ob Aufstieg, Abstieg oder Europa League, jeder in dieser Stadt fiebert mit: Es gibt Phasen, da mussten wir uns im Stadion verbarrikadieren, weil draußen unzufriedene, wütende Fans warteten. Umgekehrt kann es Dir auch passieren, dass Du nach vier Siegen in Folge beim Metzger oder beim Bäcker stehst und aus Dankbarkeit alles geschenkt bekommst. Der FC ist schon mehr als ein Arbeitgeber für mich – das ist mein Verein!

Was war Dein schönstes Erlebnis?

Es ist wirklich schwer, sich auf einen Moment festzulegen. Natürlich war das Erreichen der Europa League grandios, vor allem auch, weil ich in dieser Saison 13 Mal Tor stand. Der Derbysieg gegen Gladbach. Jeder Aufstieg. Aber selbst der wohl traurigste Moment beim FC, als ich 2018 das erste Mal mit abgestiegen bin, hatte etwas Schönes. Als wir in Freiburg vor der Kurve standen und unsere Fans das Veedel gesungen haben – das gibt es nur beim FC.

Wie kam es dazu, dass Du wieder in den Mannschaftsrat gewählt wurdest?

Weil ich genug Stimmen bekommen habe (lacht). Nein im Ernst: Ich denke, dass es schon eine Rolle spielt, dass ich Kölner bin und seit 20 Jahren beim FC. Deshalb kenne ich das Umfeld und kann die Schwingungen in der Stadt gut einschätzen – dieses Wissen teile ich mit meinen Mitspielern, und ich denke, das schätzen sie.

Was bedeutet Dir diese Wahl?

Wichtig ist, dass die anderen Jungs wissen, dass sie jederzeit zu mir kommen können. Ich bin gerne Führungsspieler. Wenn ich mich im Sinne der Mannschaft einsetzen kann, dann mache ich das – und zwar unabhängig davon, ob ich gewählt bin oder nicht. Wenn wir im Mannschaftsrat über Dinge diskutieren, die wichtig für das Team sind, ist es immer gut, wenn es auf mehrere Schultern verteilt ist. Aber es ist nicht so, dass der Mannschaftsrat alles exklusiv entscheidet. Es gibt viele Spieler bei uns, die über große Erfahrung verfügen und wichtige Rollen in der Mannschaft besetzen.

Welche Rolle spielst Du für die jungen Spieler? Und speziell für die jungen Torwarttalente?

Der Weg, Profi zu werden, ist nicht einfach. Auch da gebe ich meine Erfahrung gerne weiter, wenn die Jungs auf mich zukommen. Gleichzeitig versuche ich aber auch, sie zu führen, ihnen Rückmeldung zu geben, wenn mir etwas auffällt. Und da die Position des Torhüters speziell ist, kann ich den Nachwuchskeepern natürlich auch gerade in dieser Hinsicht viel helfen. Die Zusammenarbeit der Torhüter ist sehr eng, denn wir sind so gesehen ein kleines Team innerhalb der Mannschaft. Wir sind zwar Konkurrenten, arbeiten aber jeden Tag daran, uns gegenseitig besser zu machen und besonders die jungen Keeper auf ein richtig gutes Level zu bringen.

Wie beurteilst Du die Chemie und Stimmung in der Mannschaft?

Absolut positiv. Unsere Neuzugänge haben sich super integriert. Über die komplette Vorbereitung hinweg war in der ganzen Mannschaft die Vorfreude auf die Bundesliga zu spüren. Wir haben sehr intensiv und konzentriert gearbeitet, es wird aber auch gelacht und mal ein Spaß gemacht. Genauso sollten wir auch durch die Saison gehen, das ist eine gute Mischung.

Als Fan hat man das Gefühl, dass Du schon ewig 2. Torwart beim FC bist. Wie fühlt sich das an, die Spiele Deiner Mannschaft immer aus der 1. Reihe auf der Bank verfolgen zu müssen?

Über 300 Spiele auf der FC-Bank sind ja auch viel (lacht). Klar, auch ich würde am liebsten spielen. Aber ich glaube, es ist auch keine Selbstverständlichkeit, so lange den Posten des zweiten Torwarts zu bekleiden. In der Vergangenheit war ich immer da, wenn ich gebraucht wurde und habe dann gezeigt, dass ich es kann. Man kann das so oder so sehen: Entweder voller Trauer auf mich gucken und sagen „Um Gottes Willen, der Junge hat 300-mal aus der ersten Reihe zugeguckt.“ Oder man kann es als Auszeichnung sehen – und das tue ich.

Wo nimmst Du im täglichen Training die Motivation her, um dann am Ende doch nur auf der Bank zu sitzen?

Mein persönlicher Anspruch ist: Ich will funktionieren, wenn ich gebraucht werde. Ich möchte dem Trainer das Gefühl geben, dass er keine Kopfschmerzen haben muss, wenn Timo mal ausfällt. Dafür arbeite ich jeden Tag – und muss es in jedem Training unter Beweis stellen.

Bist Du so etwas wie ein Musterprofi?

Das müssen andere beurteilen. Tatsächlich ist es so, dass ich aufgrund meiner Erfahrung ganz automatisch eine Vorbildfunktion habe – und die will auch wahrnehmen.

Ist dies deine letzte Saison in der Bundesliga-Mannschaft des 1.FC Köln?

Stand jetzt läuft mein Vertrag bis Ende der Saison und im Fußball muss man von Jahr zu Jahr schauen. So gut wie ich mich fühle, kann ich mir heute aber nicht vorstellen, dass meine Karriere im Sommer vorbei ist.

Wie sieht der weitere Weg nach der Sportler- Karriere aus?

Dem Sport möchte ich nach meiner Karriere auf jeden Fall gerne erhalten bleiben. Es gab sogar schon das ein oder andere Gespräch mit dem FC zu diesem Thema. Aber genau festgelegt habe ich mich noch nicht.

Auf welchem Tabellenplatz landet unser FC am Ende der Saison? Wie lautet Dein Tipp und wie begründest Du diesen?

Auf einen Tabellenplatz möchte ich mich nicht festlegen. Wir sind wieder da, wo wir hinwollten und wo wir bleiben wollen – in der Bundesliga.

Vielen Dank für das Interview.

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